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Neuruppin

Gedenken für Bernd Köhler

Als erste Reaktion auf den brutalen Mord an Bernd Köhler und die Welle rechter Angriffe im selben Jahr veranstalten die Templiner Kirchengemeinden Ende Juli 2008 eine ökumenische Andacht gegen Gewalt. „Wir wollen die Menschen wachrütteln“, so Pfarrer Schein. [1]

Für Anfang August 2008 initiiert und organisiert Jörg Krüger, ein naher Angehöriger Bernd Köhlers, ein Benefizkonzert für die Familie seines getöteten Onkels. Doch der parteilose Bürgermeister von Templin, Ulrich Schoeneich, spricht sich dagegen aus, sodass die Veranstaltung zunächst wieder abgesagt wird. [2]Ulrich Schoeneich leugnet zudem die Existenz einer rechten Szene in Templin. Wie schwer sich Schoeneich damit tut, öffentlich das Problem zu benennen, zeigt auch seine Reaktion auf eine Podiumsdiskussion der uckermärkischen CDU im August 2008 zum Thema „Gewalt in unserer Gesellschaft“. Die Initiative bewertet er als „Einmischung von außen“. [3]

Erst nachdem seine Reaktion auf das geplante Konzert große Proteste hervorgerufen hat, lenkt er ein. Dadurch kann am 23. August 2008 schließlich eine Gedenk- und Benefizveranstaltung unter dem Motto „Gesicht zeigen gegen Gewalt“ stattfinden. Sie ist Bernd Köhler, aber auch allen anderen Opfern rechter Gewalt in Templin gewidmet. [4] An der Veranstaltung nehmen rund 350 Menschen teil. Die verschiedenen Redebeiträge unterstreichen das massive Problem mit Neonazis in Templin, das bislang von den Stadtoberen geleugnet worden ist. Sie gehen u.a. auf die Angst ein, die alternative Jugendliche in Templin vor rechten Übergriffen haben müssen. So betont etwa der 16-jährige David Till, dessen Kumpel nur wenige Tage nach dem Mord an Bernd Köhler zusammengeschlagen worden ist, in seiner Rede: „Wir wollen nicht hinnehmen, dass irgendwer bestimmt, wer nachts durch Templin gehen darf.“ [5]

Als Antwort auf den Mord an Bernd Köhler gründen Jugendliche schließlich die „Templiner Jugendinitiative“ und organisieren am 27. September 2008 auf dem Marktplatz der Stadt ein Demokratiefest unter dem Motto „Demokratie stärken, Rechtsextremismus abwehren!“. Daran nehmen mehrere Hundert Menschen teil. Das Demokratiefest wird ein Jahr später noch einmal durchgeführt. [6]

Drei Jahre nach der Tat erinnert die Stadt Templin zum ersten Mal offiziell an die Ermordung von Bernd Köhler. Der neue Bürgermeister, der seit 2010 im Amt ist, lädt dazu ein. Gemeinsam mit weiteren Vertreter_innen der Stadt, Freund_innen der Familie und Angehörigen von Herrn Köhler legt er am Grab Blumen nieder und erinnert an den schrecklichen Mord: „Wenn so eine menschenverachtende Tat in einer Kleinstadt geschieht, dann darf man die nicht vergessen!“ [7]

Fortan finden bis 2018 jährlich Gedenkfeiern in kleinem Kreis am Grab statt, zu denen der Bürgermeister öffentlich einlädt. [8] Diese werden auf Wunsch der Schwester des Getöteten nach dem 10. Todestag nicht mehr fortgeführt. [9] Die Templiner Bevölkerung beteiligt sich nicht an den Gedenkveranstaltungen. Einen offiziellen Gedenkort gibt es für Bernd Köhler nicht.

 


[1] Spiegel, 25.07.2008, Mord von Templin: Neonazis wollten Leiche verbrennen.
[2] Gegenrede, 31.07.2008, Bürgermeister bittet, Benefiz-Konzert zu unterlassen.
[3] Gegenrede, 22.08.2008, Lichtermeer und Konzert gegen rechte Gewalt in Templin.
[4] weltonline, 27.07.2008: Mord in Templin: Massive Kritik am Bürgermeister. / PNN, 25.08.2008: Neue Töne gegen Rechtsextremisten. Mit einem Konzert für Neonazi-Opfer versuchte Templin seinen angeschlagenen Ruf aufzubessern. / Gemeinsame Presseerklärung des Bürgermeisters und der Stadtverordnetenversammlung Templin vom 14.08.2008
[5] Nordkurier, 24.08.2008: Templiner zeigen gemeinsam Gesicht gegen rechte Gewalt
[6] Inforiot, 29.07.2009: Zweites Demokratiefest in Templin.
[7] Gegenrede, 26.07.2011: Drei Jahre nach dem Mord: Gedenken an Bernd Köhler.
[8] Zum 5. Jahrestag: Gegenrede, 23.07.2013: Templin erinnert an die Ermordung Bernd Köhlers.
[9] Nordkurier, 23.07.2018: Gedenken an Mordopfer rechter Gewalt.

weitere infos

weiterführende Informationen

Bürgermeister verneint das Vorhandensein einer rechten Szene in Templin

Peter Huth, Gegenrede, 27.7.2008

Templins Bürgermeister Ulrich Schoeneich wird sich warm anziehen müssen. Verkündete er doch gestern erneut, dass es keine rechte Szene in seiner Stadt gäbe. Dummerweise behauptet Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) im Berliner „Tagesspiegel“ genau das Gegenteil…

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Neue Töne gegen Rechtsextremismus

PNN, 28.8.2008

Nach dem Mord fand in Templin ein Benefizkonzert gegen rechte Gewalt statt. Es nahmen rund 400 Menschen. Im Vorfeld gab es darum heftige Diskussion, weil der damalige Bürgermeister das Konzert kurzerhand abgeblasen hatte. Mit dem Verweis, in der Stadt gäbe es keine rechte Szene. Die Potsdamer Neuste Nachrichten berichteten am 25.08.2008 über das Konzert.

WEBSEITE

Erstes Gedenken mit Beteiligung des Bürgermeisters

Peter Huth, Gegenrede, 26.7.20211

Nach drei Jahren des Schweigens kommt die Stadt erstmals auf die Angehörigen, um erstmals ein öffentliches Gedenken am Grab von Bernd Köhler durchzuführen.

WEBSEITE

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