AUGUSTIN BLOTZKI
Über Augustin Blotzki ist uns leider kaum etwas bekannt. Zum Zeitpunkt seines Todes ist er 59 Jahre alt und lebt in Königs Wusterhausen. Er ist alkoholkrank und zuletzt ohne Arbeit.
DER ORT
Die Kleinstadt südöstlich von Berlin ist in den 1990er Jahren ein Zentrum der militanten Neonazi-Szene. Bereits kurz nach der Wende sind dort die Kameradschaft United Skins Königs Wusterhausen und die Nationalistische Front (NF) aktiv. Deren Mitglieder bauen ab Mitte der 1990er Jahre das internationale Blood & Honour-Netzwerk mit auf und organisieren sich teils auch in der NPD. Die bis in die 2000er Jahre gefestigte extrem rechte Szene organisiert Naziskin-Konzerte, führt in den Dorfkneipen der Region Kameradschaftsabende und in den Wäldern Wehrsportübungen durch und sucht rund um Halbe nach funktionstüchtigen Wehrmachtswaffen. Einer der Wortführer und Einpeitscher der Szene ist Carsten Szczepanski – er organisiert zum Beispiel 1993 in Prieros eines der größten Blood & Honour-Konzerte in Brandenburg und betreibt ab 1999 einen Neonazi-Szeneladen in Königs Wusterhausen. Er pflegt beste Kontakte zur neonazistischen terroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU). [1]
Die Neonazis terrorisieren alle Menschen, die zu ihrem Feindbild gehören. Schwerste rechte Gewalttaten sind alltäglich. Dazu zählen Rohrbomben- und Brandanschläge, wie 1992 auf die geplante Geflüchtetenunterkunft in Dolgenbroth oder 2001 auf mehrere Romafamilien in Wildau und ein linkes Jugendfestival in Königs Wusterhausen.
DIE TAT
Am 8. Mai 1997 überfallen vier Männer und eine Frau Herrn Blotzki in seiner Wohnung und ermorden ihn.
Die Täter_innen sitzen am frühen Morgen des „Herrentags“ in einer Wohnung schräg gegenüber von Augustin Blotzkis Wohnung und hören rechte Musik. Dabei hetzen sie mit massiven Beleidigungen gegen „Ausländer“. Sie sind der Meinung, der Name Blotzki klinge „ausländisch“ und beschließen deshalb, Augustin Blotzki „Stress“ zu machen – so ihre Aussagen im späteren Gerichtsverfahren. Gegen 7:30 Uhr dringen sie über den Balkon in die Erdgeschosswohnung ein. Einige durchsuchen die Wohnung nach Geld, die anderen misshandeln Augustin Blotzki und zertrümmern Teile der Wohnungseinrichtung. Dann verlassen sie die Wohnung, kehren aber nach einer Stunde zurück. Sie prügeln äußerst brutal auf Herrn Blotzki ein, schlagen ihn u.a. mit einem Stuhlbein. Dabei beschimpfen sie ihn rassistisch. Bereits schwer verletzt, versucht er sich zu schützen, indem er sagt, dass er Deutscher sei und lediglich einen bulgarischen Namen habe. Die Täter_innen setzen jedoch ihre Gewalt und die Beschimpfungen fort. Zum Schluss zerschlagen sie eine Vase auf Herrn Blotzkis Kopf. Sie verlassen die Wohnung, kommen später aber noch ein drittes Mal wieder. Diesmal stellen sie fest, dass Augustin Blotzki tot ist. Erst eine Woche später wird seine Leiche in der Wohnung gefunden.
Zum Zeitpunkt der Tat sind viele Bewohner_innen des fünfstöckigen Neubaublocks zu Hause. Obwohl der ungewöhnliche Lärm durch die hellhörigen Wände nach außen gedrungen sein muss, verständigt niemand aus der Nachbarschaft die Polizei oder erkundigt sich, was in der Wohnung von Augustin Blotzki vor sich geht. [2]
DAS VERFAHREN
Die Täter_innen sind zwischen 15 und 24 Jahren alt und stadtbekannte Rechte. Trotz dieser Tatsache und obwohl Rassismus den gesamten Tathergang prägt, sehen Polizei und Staatsanwaltschaft kein rechtes Tatmotiv. Angeklagt werden die vier Täter und die Täterin daher wegen räuberischer Erpressung und Körperverletzung mit Todesfolge.
Die Jugendkammer des Landgerichts Potsdam verurteilt drei der Täter wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen zu Freiheitsstrafen zwischen achteinhalb und 14 Jahren. Ein Jugendlicher und die Jugendliche erhalten Haftstrafen von vier bzw. sechseinhalb Jahren wegen Körperverletzung mit Todesfolge. [3] In seiner mündlichen Urteilsbegründung hebt der Vorsitzende Richter hervor, dass die Tat aus einer Mischung aus „plakativem rechten Gedankengut, Frustration und Ausländerhaß“ heraus begangen worden sei. [4]
Doch erst im Jahr 2000 wird der Mord in die staatliche Liste rechts motivierter Tötungsdelikte aufgenommen. [5]
DAS GEDENKEN
Ein öffentliches Gedenken an Herrn Blotzki hat bisher nicht stattgefunden.