HORST HENNERSDORF
Horst „Horstel“ Hennersdorf wird am 25. Juni 1955 geboren und lebt zur Tatzeit ohne Wohnung in Fürstenwalde/Spree. Über sein Leben ist uns ansonsten leider nichts bekannt.
DER ORT
Fürstenwalde/Spree entwickelt sich kurz nach der Wende zu einem Hotspot der extremen, oftmals gewaltbereiten Rechten in Brandenburg. Mehrere neonazistische Organisationen fassen Fuß in der Region und knüpfen an rechte Subkultur vor Ort an. Zirka 60-80 Personen sind Anfang der 1990er Jahre in der extrem rechten Szene in Fürstenwalde aktiv. Hinzu kommt eine große Anzahl an Mitläufer_innen und Sympathisant_innen. In einigen Sozialräumen der Stadt können Neonazis soziale und kulturelle Dominanz erzielen – es enstehen sogenannte „national befreite Zonen“, in denen sie das Sagen haben. Auch eine Jugenfreizeiteinrichtung wird von ihnen dominiert.
Innerhalb kürzester Zeit ist eine Reihe von Straftaten mit rechten Motiven zu verzeichnen: Verwenden von verfassungswidrigen Symbolen, Hausfriedensbruch und schwere Gewaltstraftaten. Die oft völlig enthemmte und massive Gewalt von rechts richtet sich in erster Linie gegen Punks und alternative Jugendliche, Schwarze Menschen und People of Color, wohnungs- und arbeitslose Menschen.. Bis Mitte der 1990er Jahre gibt es immer wieder gezielte Angriffe auf den Alternativen Jugendclub „Club im Park“ und auf Wohnungen von Punks und anderen.
Der Rechtsstaat, das politische System und die Verwaltung gehen in diesen Jahren nur unzureichend mit dem Problem um.. Eine starke und gegen die extreme Rechte intervenierende Zivilgesellschaft entwickelt sich in Fürstenwalde/Spree etwa ab 1995.
DIE TAT
Horst Hennersdorf verbringt häufig Zeit auf dem Grundstück von zwei Bekannten, so auch am 5. Juni 1993. Ebenfalls dort anwesend sind P. A., der 15-jährige M. K. und zwei weitere Personen. Gegen 14 Uhr kommt es zu einem Streit zwischen M. K., P. A. und Horst Hennersdorf. Einer der beiden gibt dem 37-Jährigen Horst Hennersdorf zu verstehen, dass er ihn nicht leiden könne und beschimpft ihn u.a. als „Schnorrer“, der sich angeblich überall „durchschlauche“. Dann fangen die beiden an Herrn Hennersdorf auch körperlich zu attackieren. Es kommt zu einem regelrechten Gewaltexzess. Die Täter werden immer brutaler und misshandeln Horst Hennersdorf über Stunden – sie treten und schlagen ihn, und als er bereits wehrlos am Boden liegt, werfen sie eine Schranktür auf ihn und springen immer wieder auf seinen Oberkörper. P. A. uriniert auf ihn und sie leeren einen Eimer mit Fäkalien über ihm aus.
Während der Misshandlungen prahlen die Täter gegenüber zwei anwesenden Frauen mit der Gewalt, die sie ausüben. Sie ignorieren die wiederholten Aufforderungen der beiden Frauen, damit aufzuhören. Einer der Täter, der bereits zu DDR-Zeiten rechts gewesen ist und aus seiner Gesinnung keinen Hehl macht, drückt während des Tatgeschehens aus, dass ihm die Quälereien Spaß machen.
Nach fünf Stunden stellen die Täter fest, dass Herr Hennersdorf nicht mehr atmet. Sie verstecken den Leichnam in einem Geräteschuppen auf dem Grundstück. Vier Tage später bringen sie ihn mit einem Handwagen in den Wald und verscharren ihn dort. Am 17. Juni 1993 finden spielende Kinder Herrn Hennerdorfs toten Körper.
DAS VERFAHREN
Die Staatsanwaltschaft erhebt 1993 Anklage wegen Mordes. Im Januar 1994 verurteilt das Landgericht Frankfurt (Oder) die beiden bereits polizeibekannten Angeklagten jedoch nur wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Ein Tötungsvorsatz könne „nicht mit der dafür erforderlichen Sicherheit festgestellt werden“, so die Auffassung des Gerichts. Der bereits wegen Körperverletzungen vorbestrafte P. A. wird zu acht Jahren Haft verurteilt, der zweite Täter erhält eine Jugendstrafe von fünf Jahren. Bei ihm betrachtet das Gericht seinen starken Alkoholkonsum als strafmildernd. Alle Verfahren gegen Zeug_innen wegen unterlassener Hilfeleistung werden eingestellt. Die Staatsanwaltschaft legt gegen das Urteil Revision ein, zieht diese jedoch später zurück.
Die beiden Angeklagten äußern sich auch nach der Tat äußerst herablassend und abwertend über Horst Hennersdorf, u.a. in der Beschuldigtenvernehmung und – im Falle des jüngeren – gegenüber dem psychologischen Gutachter. Dabei wird deutlich, dass sie die Gewalttat auch aus einer menschenverachtenden Haltung heraus verübt haben: Sie verwenden diskriminierende Ausdrücke, die eindeutig zeigen, dass sie Herrn Hennersdorf aufgrund seiner Wohnungslosigkeit als ‚ ‚minderwertig‘ betrachten. Ein Täter bezeichnet Horst Hennersdorf auch ganz direkt als „niedrigen Menschen“. Die verfestigte extrem rechte Gesinnung von P. A. wird darüber hinaus durch rassistische Äußerungen deutlich, mit denen er u.a. geflüchtete Menschen herabwürdigt. Auch er selbst beschreibt sich als „rechts“.
Trotz all dieser Punkte werden die politische Tatmotivation und die rechte Gesinnung der Täter im Gerichtsurteil nicht berücksichtigt. [1]
DAS GEDENKEN
Ein Gedenken an Horst Hennersdorf gibt es in Fürstenwalde bis heute nicht.
weiterführende Informationen

Im Griff der rechten Szene
Burkhard Schröder
Vor allem kleinere Städte werde nach der Wende in Ostdeutschland zu Hochburgen der rechten Szene. In der Reportage „Überfall im Dom“ beschreibt Burkhard Schröder die Situation in Fürstenwalde Mitte der 1990er Jahre, die Angst der Angegriffenen, den Widerstand der alternativen Jugendszene und die Ignoranz vieler Verantwortlicher.
Rowohlt Verlag, 1997 (nur noch antiquarisch erhältlich)