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Angriffsdatum: 27. September 1997

GEORG JÜRGEN UHL

Georg Jürgen Uhl wird am 23. Juni 1951 in Cottbus geboren. Im September 1997 ist er 45 Jahre alt. Darüber hinaus ist uns leider nichts über ihn bekannt.

DER ORT

In Cottbus existiert 1997 eine seit langem sehr aktive extrem rechte Szene. Sie wird stark von der örtlichen NPD und ihrer Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) beeinflusst. Beide stellen Propagandamaterial und Geld, z.B. für Flugblätter der Gruppe „Arbeitskreis Heimatschutz Cottbus“, zur Verfügung. Sie organisieren Fahrten zu Neonazi-Demos und schulen ideologisch. Einer der bekanntesten Neonazikader ist Frank Hübner. Er ist bereits kurz nach der Wende Vorsitzender der „Deutschen Alternative“ (DA) und gründet 1999 den „Kampfbund Deutscher Sozialisten“ (KDA) mit, nachdem er eine Zeitlang in Haft gewesen ist.

Neben organisierten Neonazis gibt es in Cottbus in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre eine ausgeprägte rechte Subkultur. Rechte Cliquen treffen sich in Schulen, Jugendclubs, Kneipen und Wohnvierteln oder gehen gemeinsam zu Fußballspielen von Energie Cottbus. Hier rekrutieren die Neonazi-Strukturen ihren Nachwuchs. Jugendliche, die nicht zur rechten Szene gehören wollen, werden schikaniert und angegriffen. Vor allem Cottbus-Sachsendorf und Schmelwitz sind Hochburgen der rechten Szene. Dort kommt es bereits seit 1989 regelmäßig zu Überfällen auf People of Color, Schwarze Menschen, alternative Jugendliche und Linke.

DIE TAT

Am 27. September 1997, ersticht ein rechter Skinhead Hans Jürgen Uhl. Vier Tage zuvor hat der Täter bereits Mathias Scheydt getötet.

Laut eigener Aussage sucht er Herrn Uhl auf, da dieser ihm 10 DM geschuldet habe, die er sich nun zurückholen wollte. Doch gegenüber Herrn Uhl erwähnt R. K. die Schulden und seine Rückforderung zunächst nicht. Stattdessen geht er mit einer Flasche Wein zu ihm, um sie in dessen Wohnung mit ihm zu trinken und sein Vertrauen zu gewinnen. Mit dem Ziel, Herrn Uhl aus dem Haus zu locken, erzählt er ihm schließlich von einer woanders versteckten Palette Bier und bittet ihn, mitzukommen und beim Tragen zu helfen. [1] Gemeinsam verlassen die beiden die Wohnung und gehen bis zur Autobahn.

In der Nähe der Autobahn greift R. K. Herrn Uhl plötzlich von hinten an, rammt ihm sein Knie in den Rücken und reißt ihn zu Boden. Dann holt er das Messer aus seiner Jackentasche, mit dem er wenige Tage zuvor bereits Mathias Scheydt getötet hat. Georg Jürgen Uhl versucht, sich zu wehren, es kommt zu einem Handgemenge und Herr Uhl schreit um Hilfe. Der Täter knebelt ihn mit einem Stofffetzen und rammt ihm sein Messer in den Oberkörper. Erst jetzt fragt er nach dem Geld, während er Herrn Uhl weiter mit dem Messer bedroht. Kurzzeitig vom Knebel befreit, schreit dieser erneut. Daraufhin versetzt ihm der Täter mehrere Messerstiche in den Oberkörper und gezielt in die Herzregion. Die Stiche haben Herrn Uhls Tod zur Folge. Um mögliche Beweise zu vertuschen, setzt er anschließen dessen Wohnung in Brand.

DAS VERFAHREN

Das Landgericht Cottbus verurteilt den Täter  wegen zweifachen Totschlags in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung zu acht Jahren Jugendstrafe.

Der Polizei ist R. K. bereits vor der Tat bekannt – wegen Volksverhetzung und Verwendens von Kennzeichen verbotener Organisationen, aber auch wegen allgemeinkrimineller Delikte wie räuberischer Erpressung, KFZ-Diebstahl und Nötigung. Im Polizei-System INPOL wird er als gefährlich eingestuft. [2] Der Verfassungsschutz beschreibt ihn als einen „extrem aggressiven Einzelgänger, der seine rechtsextremistischen Ansichten offen kundtut“. [3] Der psychologische Gutachter kommt in seinem Bericht für das Gericht zum Ergebnis: „Die Kriterien Empathie- und Verantwortungsmangel, vermindertes Schuldbewußtstein und die Neigung, andere zu beschuldigen […] sind bei Herrn K. deutlich nachweisbar. Es sei „eher davon auszugehen, dass Herr K. gelernt hat, sich mit aggressivem Verhalten durchzusetzen und damit Akzeptanz oder gar Macht über andere auszuüben.“ [4]

Im Prozess wird die rechte Gesinnung des Skinheads jedoch nicht thematisiert. Auch in seinem Urteil würdigt das Gericht nicht den Zusammenhang zwischen neonazistischer Gesinnung, massiver Gewalttätigkeit und der Auswahl und Herabwürdigung der Opfer. Vielmehr stützt es sich fast ausschließlich auf die Einlassungen des Täters. Folgt man hingegen dem psychologischen Gutachten  wären Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit berechtigt gewesen. Weder von den Ermittlungsbehörden noch vom Gericht wird ein eventuelles sozialdarwinistisches Tatmotiv geprüft. Aufgrund der festen Verankerung des Täters in der extrem rechten Szene wertet die Opferperspektive den Mord an Georg Jürgen Uhl als Verdachtsfall.

Recherchen in sozialen Netzwerken zeigen, dass R. K. auch viele Jahre nach der Tat noch in neonazistischen Kreisen aktiv ist – u.a. als Anhänger der NPD. Er ruft online unverhohlen zu rassistischer Gewalt auf.

DAS GEDENKEN

Für Georg Jürgen Uhl hat bisher kein öffentliches Gedenken stattgefunden.


[1] Frank Jansen, Heike Kleffner, Johannes Radke und Toralf Staud, „149 Schicksale“, in: Tagesspiegel v. 31.05.2012.
[2] Moses Mendelssohn Zentrum, Abschlussbericht des Forschungsprojektes „Überprüfung umstrittener Altfälle Todesopfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt im Land Brandenburg seit 1990“, 2015, S. 122.
[3] Ebd.
[4] Ebd., S. 121.

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