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Angriffsdatum: 9. August 2001

KLAUS DIETER HARMS

Klaus-Dieter Harms wird am 16. Juni 1940 geboren. Im August 2001 ist er 61 Jahre alt. Er ist alkoholkrank, eine bestellte Betreuerin unterstützt ihn.Herr Harms lebt in einer Wittenberger Plattenbausiedlung mit hohem Leerstand, in der überdurchschnittlich viele Arbeitslose sowie sozial marginalisierte Menschen wohnen. Der gehbehinderte Mann ist bereits in den Jahren vor der Tat wiederholt Opfer von Körperverletzungen, Diebstählen und Sachbeschädigungen geworden, mindestens zweimal durch einen der späteren Täter.

Mehr ist uns über Klaus-Dieter Harms leider nicht bekannt.

 

DIE TAT

Beide Täter wohnen im selben Block wie Herr Harms. In der Nacht zum 9. August 2001 quälen und töten sie ihn in seiner Wohnung.

Am Tag davor haben sie ihn bereits mit einer Bratpfanne angegriffen und so schwer verletzt, dass sie einen Krankenwagen rufen mussten. Anschließend haben sie ihn bedroht, damit er die Anzeige gegen sie zurückzieht – einer soll dabei auch mit Mord gedroht haben.

Am Abend des 9. August suchen die beiden Täter Herrn Harms zunächst auf, um Zigaretten und Bier von ihm zu verlangen. Als Herr Harms ihnen sagt, dass er beides nicht habe, schlägt C. K. ihn sofort nieder und N. M. durchsucht die Wohnung. Nachdem er nur Toilettenpapier, Erbsen, Brause und Tee gefunden hat, verwüsten beide die Wohnung und gehen anschließend wieder in die Wohnung von C. K., die nur eine Etage über Herrn Harms‘ Wohnung liegt. Die gefundenen Sachen nehmen sie mit.

Wenig später kehren sie wieder zurück und fangen an, Herrn Harms zu quälen. War beim ersten Übergriff noch die Motivation, an die gewünschten Waren zu gelangen, ist dies im zweiten Fall nicht mehr gegeben. Beide wissen, dass bei Herrn Harms nichts zu holen ist. Sie misshandeln Herrn Harms durch Tritte und Faustschläge, schlagen mit einer Holzlatte so heftig auf seinen Kopf, dass ihm ein Ohr abreißt.

Nach diesen massiven Misshandlungen lassen sie zunächst wieder von ihm ab. Während Herr Harms blutend und röchelnd am Boden liegt, gehen sie zurück in die Wohnung von C. K., wo noch zwei Frauen anwesend sind, denen sie von den Misshandlungen erzählen.

Anschließend gehen die beiden Täter ein drittes Mal in die Wohnung von Klaus-Dieter Harms – dieses Mal mit dem festen Vorsatz, ihn zu töten. Sie zerschlagen eine Schnapsflasche auf seinem Kopf und misshandeln ihn erneut auf brutalste Weise. Einer von ihnen uriniert auf Herrn Harms.

Als sie die Wohnung verlassen, ist Herr Harms tot.

DAS VERFAHREN

Im März 2002 verurteilt das Landgericht Neuruppin die beiden Täter wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Mordes zu Jugendstrafen von neun Jahren und sechs Monaten. .

Beiden Tätern attestiert das Gericht das Verlangen, einen Menschen zu erniedrigen und ein Leben zu zerstören. Es hält fest, dass sie mit einer erschütternden Brutalität vorgegangen seien. Der Gerichtsmediziner gibt als Sachverständiger zu Protokoll, er habe derartige Verletzungen im Zusammenhang mit der Tötung eines Menschen durch Schläge und Tritte noch nie bei Sektionen gesehen. In einer derartigen Massivität träten sie üblicherweise nur auf, wenn ein Mensch von einem Kraftfahrzeug oder einem Zug erfasst werde oder etwa aus dem 7. Obergeschoss eines Hauses springen würde. [1] Die Staatsanwaltschaft schließt ein Raubmotiv als „lebensfremd“ aus, da die Täter sicherlich nicht um Mitternacht die Wohnung von Klaus-Dieter Harms wegen „einer Büchse Erbsen“ aufgesucht hätten. [2]

Einen politisch rechtsmotivierten Hintergrund verfolgen die Ermittlungsbehörden und das Gericht allerdings trotz deutlicher Hinweise nicht. Dabei trägt schon die Tat für sich deutliche „Hate Crime“-Züge, da sich die Gewalt gegen einen sozial marginalisierten, gehbehinderten, alkoholkranken Menschen richtet. Im Verfahren wird zudem deutlich, dass die Täter Herrn Harms verachten. N. M. hat bereits vor der Tat den Hausflur und die Wohnungstür von Klaus-Dieter Harms mit beleidigenden Texten und (spiegelverkehrten) Hakenkreuzen beschmiert. Eine Nachbarin beschreibt ihn als „Rechtsradikalen“, der mit dem „Hitlergruß“ grüße, Springerstiefel trage und versuche, seine Umgebung durch Aggressivität einzuschüchtern. Sie bittet die Ermittler_innen, ihren Namen nicht zu nennen, da sie Angst habe, er könne sie ebenfalls töten. Diesen deutlichen Hinweisen geht die Polizei jedoch nicht weiter nach. Auch die spiegelverkehrten Hakenkreuze im Treppenhaus werden von der Polizei im Rahmen der Tatortarbeit nicht protokolliert. Erst ein aufmerksamer Rettungssanitäter erwähnt sie in seinem Bericht. Weder Polizei noch Gericht gehen später darauf ein.

DAS GEDENKEN

Im Rahmen einer Gedenkveranstaltung im Januar 2013 erinnern Mitglieder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten ( VVN-BdA) und Kommunalpolitiker_innen u.a. an Klaus-Dieter Harms. Ein Vertreter der Jusos, sagt auf der Veranstaltung: „Das Problem steckt in der Mitte der Gesellschaft.“ [3]

Darüber hinaus hat bislang kein öffentliches Gedenken an Klaus-Dieter Harms stattgefunden.


[1] Moses Mendelssohn Zentrum: Abschlussbericht des Forschungsprojektes „Überprüfung umstrittener Altfälle Todesopfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt im Land Brandenburg seit 1990“, 2015, S. 142
[2] Ebd., S. 143
[3] Beate Vogel:  Harms’ Tod war reine Mordlust, in: Märkische Allgemeine Zeitung v. 31.07.2015

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