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Angriffsdatum: 13. Februar 1997

ANTONIO MELIS

Antonio Melis wird am 14. Februar 1960 in Villagrande Strisaili in Italien geboren. 1997 lebt er in Caputh und arbeitet dort als Koch in der direkt neben der Fähranlegestelle gelegenen Pizzeria „La Gondola“. Da er in Caputh Wohnungsprobleme hat, wegen derer er zeitweise im Hotel „Goldener Anker“ lebt, plant er, nach Berlin zu ziehen. Vermutlich betreibt sein Bruder dort eine Pizzeria und Antonio Melis hat vor, dort zu arbeiten. Er ist zu diesem Zeitpunkt 37 Jahre alt. [1]

DIE TAT

Am Abend des 13. Februar 1997 kommt es in der Kellerbar des Hotels „Goldener Anker“ in Caputh zu einem heftigen Streit zwischen Antonio Melis und zwei Deutschen. Hintergrund ist u.a., dass die Ex-Freundin von A.M. einen Arbeitskollegen von Herrn Melis, der Kosovo-Albaner ist, geheiratet hat. Laut späteren Berichten anderer Mitarbeiter_innen der Pizzeria „La Gondola“ suchte A. M. immer wieder Streit mit diesem Kollegen von Antonio Melis, da es ihm missfiel, dass seine ehemalige Freundin nun mit einem „Ausländer“ zusammen war. Dieser habe ihm die Freundin „ausgespannt“, so seine patriarchale Sicht auf die neue Partnerschaft.

Der Streit zwischen Antonio Melis und den beiden eskaliert vor dem Hotel. Aus einer Schreckschusspistole werden sieben Schüsse abgegeben – von wem, kann im Nachhinein nicht geklärt werden. Die beiden Angreifer verletzen Antonio Melis durch unzählige Schläge und Tritte so schwer, dass er bewusstlos am Boden liegen bleibt. Um ihre Tat zu vertuschen, beschließen sie, Herrn Melis zu töten. Zuerst versuchen sie, ihn mit einem Glasschneidemesser zu erstechen. Anschließend schleifen sie ihn 500 Meter bis zur Havel. Dort ertränkt ihn einer der Jüngere.

Erst einen Monat später, am 14. März 1997, wird Antonio Melis‘ toter Körper von einem Fischer neben der Caputher Fähre gefunden. [2]

Obwohl Herr Melis in Caputh bekannt ist, geht dort niemand zur Polizei, um ihn vermisst zu melden – und das, obwohl viel über sein Verschwinden geredet wird und vermutlich einige den Streit mitbekommen haben. [3]

DAS VERFAHREN

Die Staatsanwaltschaft Potsdam klagt die beiden Täter wegen gemeinschaftlich begangenen Mordes und gefährliche Körperverletzung an. [4] Schließlich verurteilt das Landgericht Potsdam den Haupttäter zu neun Jahren Jugendstrafe und seinen Mittäter zu 13 Jahren Freiheitsstrafe.

Einen rassistischen Hintergrund erkennen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht nicht. [5] Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass der Streit von Antonio Melis provoziert worden sei. Mit dieser Einschätzung stützt es sich fast ausschließlich auf die Einlassungen des Mitangeklagten. Dieser gibt an, eine obszöne Äußerung von Antonio Melis über seine Mutter habe eine „psychopathologische Reaktion“ bei ihm ausgelöst, in deren Folge es zur „Gewaltorgie“ gekommen sei. Das Gericht schließt eine „seelische Störung“ und eine daraus folgende verminderte Steuerungsfähigkeit bei ihm nicht aus. [6]

Im Widerspruch zur Einschätzung des Gerichts steht u.a. die Tatsache, dass mehrere Zeug_innen gegenüber den Medien von rassistischen Sprüchen des älteren Täters berichten. Nach der Trennung von seiner Freundin hätten diese Sprüche noch zugenommen. Außerdem sei er als Schläger bekannt, vor dem viele Angst hätten. [7] Bei seinen Vor-Ort-Recherchen in Caputh findet der Journalist Frank Jansen Anhaltspunkte für eine mögliche rassistische Tatmotivation. Hinzu kommt, dass Herr Melis als Migrant zu einer Gruppe gehört, die besonders häufig von rechter Gewalt betroffen ist. Nach Einschätzung der Opferperspektive kann ein rassistisches Tatmotiv nicht mit ausreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, deshalb wertet die Organisation den Mord an Antonio Melis als Verdachtsfall.

DAS GEDENKEN

Ein öffentliches Gedenken an Herrn Melis hat bisher nicht stattgefunden.

 


[1] Moses Mendelssohn Zentrum, Abschlussbericht des Forschungsprojektes „Überprüfung umstrittener Altfälle Todesopfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt im Land Brandenburg seit 1990“, 2015, S. 111

[2] Frank Jansen, „Tod eines Italieners in Caputh: Mordprozess“, in: Tagesspiegel v. 14.09.1997

[3] Frank Jansen, „Plötzlich war der Italiener weg“, in: Tagesspiegel v. 19.03.1997

[4] Frank Jansen, „Seelische Störung und Alkohol: Gewaltorgie“, in: Tagesspiegel v. 04.11.1997

[5] Frank Jansen, „Tod eines Italieners in Caputh: Mordprozess“, in: Tagesspiegel v. 14.09.1997

[6] Frank Jansen, „Seelische Störung und Alkohol: Gewaltorgie“, in: Tagesspiegel v. 04.11.1997

[7] Frank Jansen, „Plötzlich war der Italiener weg“, in: Tagesspiegel v. 19.03.1997

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