ERNST FISK
Ernst Fisk wird am 7. Mai 1938 in Danzig geboren. Über sein Leben ist uns leider wenig bekannt. 1997 lebt er ohne Wohnung in Angermünde. Oftmals übernachtet er dort im Friedenspark. [1] Als sich die Gewalttaten auf Wohnungslose in der Stadt häufen, wird Ernst Fisk mehrfach Opfer von Übergriffen. So berichtete ein Polizeibeamter der Angermünder Wache, dass man Fisk „öfter mit Verletzungen im Gesicht gesehen“ habe. Herr Fisk habe den Beamten erzählt, dass er von Jugendlichen aufgesucht, bestohlen und verprügelt worden sei – Anzeigen soll er jedoch abgelehnt haben. [2]
DER ORT
Im uckermärkischen Angermünde existiert 1997 eine starke rechte Szene. Schon in der ersten Hälfte der 1990er Jahre sind hier die Nationalistische Front (NF) und deren Nachfolgeorganisationen aktiv. Sie erlangen zunehmend Einfluss auf die rechtsorientierte Jugendszene und rekrutieren dort ihren Nachwuchs. Anfang der 1990er Jahre kommt es zu zahlreichen Übergriffen, vor allem auf People of Color, Schwarze Menschen und Aussiedler_innen. Auch das linksalternative Infocafé, in dem sich Punks, Linke und andere alternative Jugendliche treffen, wird schnell zur Zielscheibe. [3]
Nach einigen Jahren der scheinbaren Ruhe, in denen u.a. die Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) und der Verein Die Nationalen e.V. im ganzen Land Brandenburg freie Kameradschaften aufgebaut haben, nehmen rechte Angriffe ab 1997 wieder zu. [4] So wird zum Beispiel 1998 ein Brandanschlag auf das von linken Jugendlichen besuchte Alternative Literaturcafé verübt. Im Fokus der rechten Gewalttäter_innen stehen nun auch Wohnungslose. Die Polizei verzeichnet eine ganze Reihe von Gewalttaten, verfolgt diese jedoch nur selten. Laut Angaben der Polizei gehen die Angriffe häufig vom Bahnhof aus. Dort gibt es einen Treffpunkt der gewaltbereiten rechten Skinheadszene. [5] Es gibt viele weitere rechte Treffpunkte in der Stadt – Kneipen, die Tankstelle sowie einen mit Hakenkreuzen, Baseballschlägern und Reichskriegsflagge ausstaffierten illegalen Jugendclub am Sportplatz. Die organisierten Neonazis in Angermünde sind auch regional gut vernetzt, insbesondere mit dem Kameradschaftsbund Barnim von Gordon Reinholz. [6]
DIE TAT
Über den Tathergang ist nichts bekannt. Herr Fisk wird am Morgen des 23. September 1997 mit blutenden Kopfverletzungen auf der Straße aufgefunden und in ein Krankenhaus eingeliefert.
NACH DER TAT
In Folge des Angriffs liegt Ernst Fisk im Koma und wird später in einem Pflegeheim untergebracht. Er ist nicht ansprechbar und muss mit einer Magensonde ernährt werden. Sein Körper ist geschwächt – er stirbt in Folge einer Lungenembolie am 30. August 1998.
DAS VERFAHREN
Nachdem Ernst Fisk tot aufgefunden worden ist, gehen die Ermittlungsbehörden – und auch die Ärzt_innen – zunächst von einem Sturz aus. Dazu trägt bei, dass es keine Augenzeug_innen gibt und Herr Fisk selbst nicht befragt werden kann. Die Ermittlungen gegen Unbekannt werden am 13. November 1997 eingestellt.
Bei der ersten Leichenschau nach Herrn Fisks Tod wird ein natürlicher Tod festgestellt. Erst eine weitere Leichenschau im Krematorium zieht dies in Zweifel und führt zur Anordnung einer Obduktion. Das Sektionsgutachten stellt einen „kausalen Zusammenhang zwischen einer erheblichen Gewalteinwirkung auf den Kopf des Mannes und dessen späterem Tod“ fest. [7]
Der Obduktionsbericht wird erst ein halbes Jahr später, Mitte März 1999, an die Staatsanwaltschaft gesendet. Es dauert noch weitere drei Monate, bis die Polizei Anzeige gegen Unbekannt wegen Körperverletzung mit Todesfolge erstattet und das Ermittlungsverfahren wieder aufnimmt.
Die Mordkommission und die Staatsanwaltschaft ziehen als mögliche Tatverdächtige all jene in Betracht, die im Raum Angermünde bereits anderweitig mit Körperverletzungs- oder Diebstahldelikten auffällig geworden sind – insbesondere mit Taten gegenüber „mittellosen Personen“. In den Fokus der Ermittlungen geraten der 16-jährige M. E. und der 19-jährige D. M. Beide sind Teil der rechten Skinheadclique, die sich regelmäßig am Bahnhof Angermünde trifft, und haben bereits wiederholt wohnungslose Menschen zusammengeschlagen. Sie gestehen die tödliche Gewalttat an Herrn Fisk allerdings nicht und können auch nicht überführt werden. Einer der beiden gibt an, einmal einen Obdachlosen zusammengeschlagen zu haben, aber nicht zu wissen, ob es der stadtbekannte Ernst Fisk gewesen sei. [8]
Letztendlich erhärtet sich bei niemandem ein ausreichender Tatverdacht. Das Verfahren schleppt sich zwei Jahre hin und wird schließlich von der Staatsanwaltschaft eingestellt.
DAS GEDENKEN
Ein öffentliches Gedenken an Herrn Fisk hat bisher nicht stattgefunden.
weiterführende Informationen
Webdokumenation: Gegen uns.
Baseballschlägerjahre in der Uckermark
In der Dokumentation sprechen Zeitzeug_innen über ihre Erfahrungen mit alltäglichen Bedrohungen und Übergriffen durch Rechte in den 1990er Jahren in Angermünde. Sie berichten über ihren widerständigen Alltag und gelebte Solidarität in der uckermärkischen Kleinstadt.