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Angriffsdatum: 18. Dezember 1992

Hans-Jochen Lommatzsch

Die Opferperspektive schätzte den grausamen Tod von Hans-Jochen Lommatzsch  lange als rechte Gewalttat ein, weil deutliche Anhaltspunkte für die Eingebundenheit des Täters in die rechte Szene vorlagen. 2015 brachte die unabhängige Überprüfung der Gerichtsakten durch das Moses Mendelssohn Zentrum (MMZ) neue Erkenntnisse. Sie lässt keine feste Eingebundenheit des Täters in die rechte Szene oder ein politische Motiv für den Mord mehr erkennen.

Kerze und Blumen an MauerIm Dezember 1992 ist Hans-Jochen Lommatzsch 51 Jahre alt. Er arbeitet als Baumaschinist und lebt mit seiner Frau in einem Oranienburger Neubaugebiet. Ansonsten ist uns leider nichts über ihn bekannt.

DIE TAT

Hans-Jochen Lommatzsch wird nachts auf dem Parkplatz vor seinem eigenen Auto von einem jungen Täter so brutal geschlagen und getreten, dass er sofort stirbt.

Kurz vor Mitternacht des 18. Dezember 1992 will Herr Lommatzsch nach seinem neuen Auto sehen – wie auch an vergangenen Abenden, da bereits mehrfach der Lack zerkratzt worden ist. Er begibt sich also auf den Parkplatz direkt hinter seinem Wohnhaus. Zur gleichen Zeit kommt der 26-jährige J. S. aus dem „Havelkrug“ in der Emil-Polesky-Straße. Er hat den Abend mit M. V. und weiteren Personen in der Kneipe verbracht. Als er. Herrn Lommatzsch an dessen Auto stehen sieht, schreit er ihn in Hilfspolizistenmanier an: „Autoklau ist hier nicht!“ Direkt danach versetzt er Herrn Lommatzsch den ersten Faustschlag ins Gesicht, ohne dass dieser überhaupt eine Chance gehabt hätte, zu antworten. Es folgen weitere Faustschläge des Täters. Sie treffen Hans-Jochen Lommatzsch so massiv, dass er zu Boden geht und mit dem Kopf auf den Asphalt schlägt. Der Täter tritt mit Springerstiefeln weiter gegen seinen Kopf und seinen Hals, obwohl Herr Lommatzsch bereits schwer verletzt und reglos am Boden liegt. Als der Täter Stimmen hört und befürchtet, erwischt zu werden, flüchtet er.

Die Rettungskräfte können später nur noch den Tod von Hans-Jochen Lommatzsch feststellen. Er stirbt noch auf der Straße an einem Schädelbasisbruch. Auch seine anderen Verletzungen an Oberkörper, Kopf und insbesondere Rippen hätten aufgrund ihrer Schwere zu seinem Tod geführt. [1]

Seine Ehefrau erfährt erst am nächsten Tag auf der Polizeiwache von den Geschehnissen. Ermittlungsbeamte der Polizei klingeln am Morgen bei ihr und holen sie ab, damit sie ihren Mann identifiziert. [2]

DAS VERFAHREN

Am 21. Dezember 1992 werden J. S. und sein Bekannter  M. V. von der Polizei als dringend tatverdächtig verhaftet. Laut Staatsanwalt gehören beide Täter zur rechten Szene. [3] Die Polizei weist dies jedoch später zurück. [4] M. V. wird einen Tag später wieder aus der Untersuchungshaft entlassen, da sich der Tatverdacht gegen ihn nicht bestätigt. Es wird weiter gegen J. S. ermittelt. Dieser erzählt einen Tag nach der Tat einem Bekannten von einer „Schlägerei mit einem Autoknacker“. Nach seiner Verhaftung legt er ein Geständnis ab und behauptet, Herrn Lommatzsch für einen Autodieb gehalten zu haben. [5]

Eine mögliche rechte Einstellung des Täters und damit verbundene politische Tatmotive spielen laut der unabhängigen Studie des Moses Mendelssohn Zentrums im polizeilichen Ermittlungsverfahren kaum eine Rolle und werden im Gerichtsprozess nicht mehr thematisiert. Eine Zugehörigkeit des Täters zur extrem rechten Szene ist jedoch laut Bericht des MMZ „eher unwahrscheinlich“. Fotos aus der Ermittlungsakte zeigen „keinerleich Bezüge zur rechtsextremen Szene“. [6] Zwar gibt es die Aussage eines Zeugen, beide Tatverdächtige seien „sehr rechtsradikal“, jedoch ist davon auszugehen, dass sich dies auf M. V. bezog, der zum Zeitpunkt der Zeugenaussage noch als zweiter Tatverdächtiger geführt wurde. Weitere Aussagen von Zeug_innen gibt es dazu nicht. Die Zugehörigkeit  von M. V. zur rechten Skinheadszene ist durch Fotos und Polizeivermerke eindeutig belegt. [7]

Das Bezirksgericht Potsdam verurteilt den 26-jährigen Täter . im Oktober 1993 wegen Totschlags zu acht Jahren Freiheitsstrafe. [8]

DAS GEDENKEN

Ein öffentliches Gedenken an Hans-Jochen Lommatzsch hat bislang nicht stattgefunden.


[1] Moses Mendelssohn Zentrum, Abschlussbericht des Forschungsprojektes „Überprüfung umstrittener Altfälle Todesopfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt im Land Brandenburg seit 1990“, 2015, S. 64
[2] Die Frage nach dem ,Warum?´ ist unbeantwortet , in: Oranienburger Generalanzeiger v. 30./31.10.1993 und Todschlag wird neu aufgerollt, in Oranienburger Generalanzeiger v. 15.12.2012
[3] Skinheads traten Mann tot: Er wollte zu seinem Auto, in: Berliner Kurier v. 23.12.1992
[4] Ein Tatverdächtiger wieder auf freiem Fuß, in: Märkische Allgemeine Zeitung v. 24.12.1992
[5] Die Frage nach dem ,Warum?´ ist unbeantwortet , in: Oranienburger Generalanzeiger v. 30./31.10.1993 / Moses Mendelssohn Zentrum, Abschlussbericht des Forschungsprojektes „Überprüfung umstrittener Altfälle Todesopfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt im Land Brandenburg seit 1990“, 2015, S. 66-67[6] Moses Mendelssohn Zentrum, Abschlussbericht des Forschungsprojektes „Überprüfung umstrittener Altfälle Todesopfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt im Land Brandenburg seit 1990“, 2015, S. 66-67

[7] Ebd.
[8] Die Frage nach dem ,Warum?´ ist unbeantwortet , in: Oranienburger Generalanzeiger v. 30./31.10.1993

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