PETER KONRAD
“Mein Vater brachte mir auf einzigartige Weise bei (auf) meine Umwelt (zu) achten und diese zu begreifen. Er lehrte mich Ausdauer, Geduld und Empathie gegenüber jeglichem Lebewesen zu zeigen. Sein sinnloser, brutaler Tod riss eine Lücke in die Leben meiner Familienmitglieder, die bis heute nicht geschlossen werden kann und es auch niemals wird.”
Tochter von Peter Konrad
Peter Konrad wird am 25. Oktober 1962 geboren und lebt in Werder an der Havel. Dort verbringt er seine Kindheit und Jugend, absolviert eine Ausbildung zum Eisenbahnelektriker und arbeitet anschließend in seinem Beruf. Im Frühjahr 1992 ist er 29 Jahre alt. Er hat noch viele Pläne – u.a. will er studieren, um Betriebswirt zu werden. In seiner Freizeit ist er aktiver Schwimmer. Das Motorrad ist seine Leidenschaft. Zusammen mit Familie und Freund_innen vom Motorradclub „MC Roadrunner“ fährt er mit seiner Maschine zu Festen, Konzerten und an den See.
Seine Tochter, geboren im Jahr 1986, beschreibt ihn später als liebevollen, geduldigen Vater, der viel mit ihr unternahm und ihr beibrachte, mit Ausdauer und Geduld – anstatt mit Gewalt – Sachen auszuprobieren, die nicht gleich funktionieren. Im Rückblick erzählt sie: „Mein Vater brachte mir auf einzigartige Weise bei, auf meine Umwelt zu achten und diese zu begreifen. Einmal pflückte ich Blumen für ihn und er erklärte mir, was die Folge meines Handelns war. Die Blumen würden sterben und hätten an ihren Wurzeln noch lange leben können, vielleicht sogar bis zum Herbst. Er sagte dies keinesfalls ermahnend, sondern sanft, ruhig und liebevoll. Mein Vater war ein sehr kluger, bedachter und behutsamer Mensch. Ein Satz, der mir bis heute in den Ohren klingt, war: ,Mit Gewalt geht gar nichts.’“ [1] In einem Brief, den seine Mutter nach der Tat an den damaligen Justizminister schreibt, berichtet sie, dass die Familie sehr viele Beileidsbekundungen erreicht haben. Ihr sei erst da klar geworden, wie beliebt und bekannt ihr Sohn aufgrund seiner Hilfsbereitschaft war. Er sei gewiss kein Schläger gewesen, habe nie etwas mit Skinheads oder Hooligans zu tun gehabt, schreibt sie.
DIE TAT
Am Abend des 25. April 1992 greifen Skinheads und Hooligans aus der rechten Hertha-BSC- Fangruppierung „Wannseefront“ Peter Konrad und die Gruppe, mit der er unterwegs ist, an. Die brutalen Tritte der Angreifer sind tödlich für ihn.
Peter Konrad besucht an diesem Abend mit seiner Schwester, seinem Bruder und einigen anderen Frauen und Männern das Baumblütenfest in Werder. Sie gehören dem Motorradclub „MC Roadrunner“ an. Mindestens Peter Konrad selbst trägt eine Lederjacke mit dem Emblem des Clubs. Es ist anzunehmen, dass die späteren Täter sie somit als Mitglieder einer unliebsamen Gruppe identifizieren und daher gezielt attackieren. Im Festzelt ist es schon ziemlich leer, als der Überfall unvermittelt beginnt.
Nach einer kurzen Schlägerei – ohne vorherige verbale oder körperliche Auseinandersetzung, die einen inhaltlichen Grund für den Angriff erkennen lässt – scheint die Situation vorüber. Peter Konrad, seine Geschwister und ihre Freund_innen beschließen zu gehen, da es ihnen auf dem Festgelände zu gefährlich wird. Tatsächlich lauert ihnen dieselbe Tätergruppe jedoch draußen bereits auf und treibt sie auseinander. Laut Berichten von Familienangehörigen versucht Peter Konrad, der Situation zu entkommen – vergebens: Er geht zu Boden, wo ihn zwei der Angreifer festhalten, während andere ihm gegen Körper und Kopf treten. Seine Versuche, sich zu verteidigen, nützen nichts. Mindestens 25 wuchtige Fußtritte treffen ihn. Er bleibt leblos am Boden liegen. [2] Die Rettungskräfte kommen kaum zu dem Schwerverletzten durch, da sie ebenfalls von Skinheads und Hooligans angegriffen werden. Laut Presseberichten wird sogar der Polizeifunk gezielt gestört.
Peter Konrad erleidet einen Herzstillstand. Die Rettungskräfte können ihn nach einer halben Stunde reanimieren. Er hat wieder Puls. Doch er erwacht nicht mehr aus dem Koma. Am 4. Mai 1992 stirbt er an seinen schweren Verletzungen. [3]
Auf seiner Stirn sei deutlich der Abdruck eines Schuhs zu sehen gewesen, erzählt seine Mutter später ihrer Enkeltochter unter Tränen, als sie am Ufer des Plessower Sees stehen und einen ähnlichen Abdruck im Sand am Ufer erblicken. [4]
DAS VERFAHREN
Nur ein Tatverdächtiger wird festgenommen und dem Haftrichter vorgeführt. Dieser sieht jedoch keinen Haftgrund und lässt ihn wieder frei. [5] Im Sommer 1993 findet der Prozess gegen den 21-Jährigen vor dem Landgericht Berlin statt. [6] Er wird lediglich wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu vier Jahren Haft verurteilt. [7]
Ein rechtes Motiv wird vom Gericht nicht erkannt. Mehrere Zeug_innen berichten indes, dass die Täter anhand ihrer Kleidung deutlich als rechte Skinheads und Hooligans zu erkennen gewesen seien. Zu ihnen gehörten Jugendliche aus Berlin und Werder, u.a. die Söhne eines lokalen Politikers. Vor dem Angriff auf die „Roadrunners“ hatten sie bereits gezielt langhaarige Männer und andere alternativ aussehende Festbesucher_innen angegriffen und Jagd auf einen Schwarzen Deutschen gemacht. [8] Die Eingebundenheit der Täter in die rechte Hooliganszene und die damit einhergehende gewaltaffine Sozialisierung, verbunden mit übermäßigem Alkoholkonsum, haben die Tat aller Wahrscheinlichkeit nach maßgeblich geprägt. Die Attacken der Täter richteten sich gezielt gegen Menschen und Gruppen, die sie verachteten bzw. gegen die sie Ressentiments hegten. Das gezielte Auflauern sowie das Stören des Polizeifunks und der Rettungskräfte sprechen zusätzlich für eine geplante und organisierte Tat.
DAS GEDENKEN
Ein öffentliches Gedenken an Peter Konrad hat bislang nicht stattgefunden.