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Angriffsdatum: 5. Januar 1992

INGO LUDWIG

anfuehrung

Du bist für uns immer noch ein heller, leuchtender Stern, der auch nach 30 Jahren nicht erlischt. Wir werden dich für immer lieben. Im Herzen bleibst du ein Leben lang.

Mama, Papa, Martina, Ricarda

Ingo Ludwig wird am 22. Juli 1973 geboren. Er lebt mit seinen Eltern und drei Geschwistern in Grüneberg (Oberhavel), geht dort in den Kindergarten und anschließend in die Schule. Seine Mama beschreibt ihn als ruhiges, glückliches und liebenswertes Kind. In seiner Jugend hat er ein besonders enges Verhältnis zu seiner Schwester, engagiert sich in der Feuerwehr und ist im Grüneberger Fußballverein aktiv. Dort ist er erst Mittelfeldspieler und als Jugendlicher dann der Torwart der Mannschaft. Er hört am liebsten Rockmusik von Heavy Metal bis Depeche Mode. Als 12-Jähriger hilft er mit seinem großem Bruder beim Wiederaufbau der Grüneberger Dorfkirche. Nach seinem Schulabschluss macht er eine Ausbildung zum Landwirt. Wie viele andere in den Nachwendejahren wird er nach seiner Ausbildung gekündigt, sattelt jedoch schnell um und arbeitet mit seinem Papa zusammen beim örtlichen Entsorgungsbetrieb. Im Januar 1992 ist Ingo Ludwig gerade einmal 18 Jahre alt.

DIE TAT

Den Abend des 5. Januar 1992 verbringt Ingo in der Dorfdiskothek „Wolfshöhle“ im Granseer Ortsteil Klein-Mutz. Im Laufe des Abends überfällt eine Gruppe von mehr als ein Dutzend rechter Skinheads die Disko und greift die Besucher_innen an. Unter den Angegriffenen ist auch Ingo Ludwig. Mindestens einer der Täter versetzt ihm mehrere Fußtritte mit „Docs“, Schuhen mit Stahlkappe.

Laut einer Polizeimeldung wird er dabei so schwer im Gesicht, am Hals und am Körper verletzt, dass der gerufene Notarzt nur noch den Tod von Ingo feststellen kann. [1]

DER UMGANG MIT DER TAT

Obwohl es viele Zeug_innen für die Tat gibt, hat sie keinerlei Konsequenzen für die Täter. Ein Tatverdächtiger aus Zehdenick wird verhaftet, aber nach drei Tage wieder entlassen. [2]

Zwei Jahre später schreibt der Brandenburger Verfassungsschutz in einer Stellungnahme – mit der er eine Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen beantwortet –, dass Ingo Ludwig betrunken eine Treppe hinunter gestürzt sei: „Er wurde von mehreren Jugendlichen, die der ‚rechten’ Szene zuzurechnen sind, zu einem Kraftfahrzeug gebracht. Als er die Jugendlichen beschimpfte, schlugen diese auf ihn ein. Im Krankenhaus verstarb er dann. Der Tod ist eindeutig auf Verletzungen zurückzuführen, die er sich beim Treppensturz zugezogen hatte.“ [3] Die Journalistin und Autorin Manja Präkels, die den Überfall der Skinheads persönlich miterlebt hat, kommentiert diese Bewertung des Verfassungsschutzes folgendermaßen: „Wenn man die drei flachen Stufen der Dorfkneipe vor Augen hat und die Pogromstimmung jener Jahre in den Knochen, zerfällt die Geschichte von der hilfsbereiten Horde Skins.“ [4]

Obwohl sich offensichtlich selbst der Brandenburger Verfassungsschutz mit dem Fall beschäftigt hat, kann das Moses Mendelssohn Zentrum in Rahmen ihres Forschungsprojektes von 2013 bis 2015 keinerlei Akten zu dem Fall sichten. Laut Auskunft der Generalstaatsanwaltschaft sind sie fristgerecht vernichtet worden, ein Aktenzeichen sei unbekannt. [5]  Das ist in soweit bemerkenswert, da ein Journalist des rbb diese Akte noch Ende November 2013, als bereits nach Beginn des Forschungsprojektes, einsehen konnte. Seiner Erinnerung nach fang im 1. Quartal 1994 die Gerichtsverhandlung wegen gefährlicher Körperverletzung am Landgericht Potsdam statt. Verhandelt wurde nicht nur der Überfall der rechten Skinheads auf die Disko in Klein-Mutz, sondern noch weitere Angriffe.

DAS GEDENKEN

Ein öffentliches Gedenken an Ingo Ludwig hat bislang nicht stattgefunden.


[1] Manja Präkels, Gransee: Angst, Asylanten, Sicherheit, Jungle World v. 07.11.2013
[2] Martin Risken, Ein Todesfall und viele Fragen, in: Märkische Oderzeitung v. 28.08.2015
[3] Bundesregierung, Drucksache 12/7008, 09.03.1994, S. 3
[4] Manja Präkels, Gransee: Angst, Asylanten, Sicherheit, Jungle World v. 07.11.2013
[5] Martin Risken, Ein Todesfall und viele Fragen, in: Märkische Oderzeitung v. 28.08.2015

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